Two Pillars

MBSE, iQUAVIS und Digitales Engineering 4.0: Interview mit Prof. Dr Lydia Kaiser

Prof. Dr. Lydia Kaiser von der TU Berlin ist Expertin für Digitales Engineering 4.0. Im Interview spricht sie über MBSE, Systems Engineering, Maschinenbau und iQUAVIS. Dabei geht es auch um die Frage, warum iQUAVIS speziell für kleine und mittlere Unternehmen von Vorteil ist.

Physik, Maschinenbau, Systems Engineering – was fällt Ihnen dazu ein?

Es ist ein möglicher Weg zum Systems Engineering zu kommen und es aus Überzeugung gestalten zu wollen. Das war mein Weg, den ich gegangen bin. Nach meinem Physikstudium habe ich bei Prof. Gausemeier im Maschinenbau promoviert und bin so zu Systems Engineering gekommen. Als Physikerin fühle ich mich sehr wohl mit dem Themenfeld. Das systemische Denken und Arbeiten wird im Physikstudium im Grunde durchgehend trainiert.

Digitales Engineering 4.0 – was bedeutet das und welche Rolle spiel da das Systems Engineering?
MBSE, Prof. Dr. Lydia Kaiser

Das Engineering umfasst den Prozess wie wir die technischen Systeme von morgen gestalten. Diese wandeln sich und sind vernetzt, autonom, interagieren mit uns in multimedialer Form und sind serviceorientiert. Doch auch die Art, wie wir die Systeme gestalten hat sich durch Digitalisierung verändert und muss auch neu gedacht werden. Wie schaffen wir die digitale Durchgängigkeit, wie können wir neue Datenquellen nutzen und Systeme realisieren, die vom User gedacht sind, wie entstehen digitale Zwillinge von Beginn an und wie schaffen wir die Interdisziplinarität und damit die Diversität zu fördern, dabei die Komplexität aber zu beherrschen?

Das sind einige Fragestellungen, die das Themenfeld so spannend machen. Dabei entwickeln sich die Technologien so schnell weiter, dass wir uns auch fragen müssen, wie sieht das Engineering der Zukunft aus? Wie können wir die Technologien in das Engineering übertragen und dieses neu denken? Ich bin überzeugt, dass bei aller Forschung und Entwicklung, die wir vorantreiben und damit neue technische Lösungen hervorbringen, das „WIE“ immer mit erforscht werden muss. Sonst schaffen wir den Übergang nicht von einem guten Forschungsergebnis zu einer marktfähigen und anwenderzentrierten Lösung.

MBSE ist ein großes und teilweise schwieriges Thema – gibt es sowas wie einen Nukleus, den die Anwender*innen in der Industrie beherrschen oder zumindest beherzigen sollten?

MBSE klingt so kompliziert, weil wir mit Fachbegriffen nur so um uns werfen und damit viele leider verschrecken. Dabei steckt so viel Potential in dem Ansatz – Interdisziplinäre Teams erhalten ein Kommunikationsmedium für ein einheitliches Verständnis vom Gesamtsystem.

Dr.-Ing. Lydia Kaiser

Den Anwendern gebe ich immer mit, mit kleinen Schritten die Erfolge erleben. Dann sind die meisten schon so begeistert, dass sie intrinsisch motiviert weitermachen wollen. Manche sagen, MBSE ist nur, wenn es ein (Daten-)Modell gibt. Für den Anfang reichen gute Bilder, wie z.B. CONSENS-Wirkstruktur in paper-based Workshops. Das schult das systemische Denken, fördert die Kommunikation und den Austausch unter den Fachexperten und bringt so manche Diskussion in den Gang, da unterschiedliche Sichten auf ein und denselben Sachverhalten herrschen.

iQUAVIS ist von seinem Ansatz her anders strukturiert als viele andere MBSE-Werkzeuge. Welche Stärken sehen Sie darin gerade für KMU?

iQUAVIS hat den großen Vorteil, dass es sehr intuitiv ist und auf die CONSENS-Methode abgestimmt aufgebaut ist. Damit muss nicht erst eine „Modellierungssprache“ mit all ihren Facetten gelernt werden. Die Hürde ist somit viel niedriger und die Erfolgserlebnisse garantiert. Besonders für KMUs ist das ein großer Mehrwert. Sie haben nicht die Ressourcen und Mittel alle Mitarbeiter*innen in dem Umfang zu schulen und Tools anzupassen.

Stichwort Change: Der Umstieg von 2D-CAD zu 3D hat Jahrzehnte gedauert. MBSE ist noch eine Nummer komplexer – was raten Sie und würden Sie diese Veränderung beschleunigen?

Der Vergleich kann gut gezogen werden und zeigt, dass es ein langer Prozess ist. Es hat ja nicht nur die technische Facette, die Anwender müssen davon überzeugt sein und den Weg mitgehen. Eine Sicht sollten wir dabei jedoch nicht vergessen. Als der Übergang 2D nach 3D erfolgte, waren wir in den „Kinderschuhen“, was die Rechenleistung und technische Umsetzungsmöglichkeiten betraf. Die Anwender waren nicht so schnell zu überzeugen, weil neue Lösungen sperrig und nicht stabil waren. Heute sieht die Welt anders aus. Wir haben KI-Lösungen in unseren Alltagsprodukten und haben Zugang zu großen Rechenleistungen. Da sehe ich die größten Stellhebel, den Wandel schneller zu gestalten. Wir haben Forschungsarbeiten seinerzeit am Fraunhofer IEM gestartet, die genau da ansetzen und KI-Verfahren nutzen, um die Anwender bei der Arbeit an und mit den Modellen zu unterstützen.

Dr.-Ing. Lydia Kaiser ist ECDF-Professorin an Technischen Universität (TU) Berlin für Digitales Engineering 4.0.

Erfahren Sie hier mehr über iQUAVIS.

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